Generalversammlung 2020 abgesagt
9. April 2020Kein Sommertheater im Jahr 2020
22. Juni 202025 Jahre Theaterfreunde Balzheim
Eigentlich hätten die Theaterfreunde Balzheim dieses Jahr ihr 25jähriges Bestehen als eingetragener Verein feiern wollen und zwar im Rahmen der Generalversammlung am 24. April. Freilich kann diese aus bekannten Gründen nicht stattfinden. Auch war in der Diskussion, im Jubiläumsjahr ein besonderes Sommertheater zu bieten, so eine Art „Best of“ der früheren Produktionen. Doch ob in diesem Jahr überhaupt ein Sommertheater stattfinden kann, ist noch ungewiss. Da geht es den Theaterfreunden in Balzheim nicht anders als anderen Laienbühnen. Ein Sommer ohne Aufführungen im Oberbalzheimer Schlossweihergarten wäre für die Theaterfreunde finanziell kein Problem, doch ist es nun mal der elementare Zweck einer Laienbühne, vor möglichst vielen Zuschauern zu spielen. Man stelle sich mal vor: Die Zuschauer müssten im Abstand von 1,50 Meter sitzen und die Spieler im selben Abstand agieren. Ein Unding!
Eigentlich gibt es die Theaterfreunde Balzheim schon länger als 25 Jahre. Vor 1987 gab es in Balzheim verschiedene Theatergruppen, die direkt für die Vereine Weihnachtstheater spielten, in Unterbalzheim abwechselnd für den Gesangverein und den Sportverein, in Oberbalzheim für die Freiwillige Feuerwehr. Nicht wenige der heutigen Theaterfreunde standen bereits in dieser Zeit auf der Bühne.
Dann kam das historische Freilichttheater anlässlich der 900-Jahr-Feier Balzheims im Jahre 1987. Drei markante Ereignisse aus der Geschichte Balzheims kamen damals auf die Bühne: 1630 – Balzheim soll evangelisch werden, 1720 – Die Kindsmörderin Maria Bayer und 1848 – Auswanderer nach Amerika. Dass so eine Theaterproduktion mit vielen Mitwirkenden mit den vorhandenen Spielgruppen nicht zu stemmen sein würde, war allen klar. Zu den bereits vorhandenen Theaterspielern aus Unter- und Oberbalzheim wurden weitere Darsteller gesucht und gefunden. Mit dem Historienstücken betraten die Balzheimer Theaterspieler Neuland, dazu kamen die besonderen Bedingungen der Naturbühne beim Unterschloss. Skepsis und Zweifel blieben ständige Begleiter der Proben, die inzwischen ein Profiregisseur aus Altusried übernommen hatte. Die erfolgreiche Premiere im Juni 1987 löste unter den Spielern eine bisher ungekannte Euphorie aus, die sie dann während der ganzen Aufführungen begleitete, auch bei teilweise nasskaltem Wetter. Balzheim war plötzlich wer in der Theaterlandschaft, noch nie vorher waren so viele auswärtige Zuschauer gekommen, die letzte Vorstellung platzte aus allen Nähten. Sogar das Fernsehen drehte Szenen vom Balzheimer Freilichttheater, die dann in der Landesschau übertragen wurden.
Das entstandene Wir-Gefühl führte dann zum Schwur: Die Spieler beider Ortsteile wollten zukünftig als gemeinsame Theatergruppe agieren. Wie sollten aber die Vereine, die finanziell auf das bisherige Weihnachtstheater angewiesen waren, weiter auf ihre Kosten kommen? In den folgenden Jahren führte die Theatergruppe Balzheim über Weihnachten je ein Stück in der Turn- und Festhalle Unterbalzheim und der Stiftungshalle auf und sorgte dafür, dass die Spieler jeweils aus beiden Ortsteilen kamen, um das Lager- und Konkurrenzdenken, das bisher geherrscht hatte, verschwinden zu lassen. Den Vereinen blieb die Bewirtung und ein Anteil an den Eintrittsgeldern. Ihre Funktionäre waren ganz froh darüber, nicht mehr Jahr für Jahr die Spieler zusammenzusuchen, sondern dies der Leitung der Theatergruppe Balzheim zu überlassen. Der Versuch, anspruchsvollere Stücke zu spielen, war freilich in der Anfangszeit nicht von Erfolg gekrönt. Vielleicht fehlte es hier auch an Durchhaltevermögen gegenüber dem Druck des örtlichen, an derbe Schwänke gewöhnten Publikums. Zwei Stücke zu Weihnachten in einer Gemeinde mit nicht mal 2000 Einwohner erwiesen sich auf Dauer als zu viel, die Zuschauerzahlen gingen zurück, so dass die Theatergruppe beschloss, nur noch ein Weihnachtsstück aufzuführen, dies aber viermal. Bereits in der Anfangszeit baute sich die Theatergruppe im ehemaligen Oberbalzheimer Rathaus eine eigene Kleiderkammer.
Schon bald nach der Gründung begann die Theatergruppe Balzheim mit der Nachwuchsarbeit und studierte eigene Stücke für Kinder und Jugendliche ein. Viele der heutigen Darsteller sind sozusagen Eigengewächse. So kann es sein, dass ein 36jähriger bereits 27 Jahre für die Theaterfreunde Balzheim auf der Bühne steht. Seit 2009 gibt es offiziell eine Jugendabteilung mit einem ersten und zweiten Jugendleiter. Mit dem Musical „Borongo“ im Schlossweihergarten 2019 setzte der Balzheimer Theaternachwuchs zuletzt ein Ausrufezeichen.
Formal unterstand die Theatergruppe Balzheim von 1987 bis 1995 der Gemeinde Balzheim, die den Sponsoren des örtlichen Laientheaters Spendenbescheinigungen ausstellte. Zwar verfügte die Theatergruppe über vereinsähnliche Strukturen wie Leiter und Kassierer, die freilich nicht gewählt wurden. Vor der offiziellen Vereinsgründung 1995 brachte die Theatergruppe Balzheim ein weiteres Historienspiel auf die Freilichtbühne: „Die Räuberbande des Keßler Hans“, basierend auf einem Kriminalfall aus dem Jahre 1755 und der letzten Hinrichtung in Balzheim. Verbunden war das zweite Freilichttheater 1994 mit dem ersten Jugendstück mit dem Titel „Rettet Robinson“. Damals stand die Theatergruppe Balzheim noch unter dem Schirm von Gemeinde und Stiftung Oberbalzheim.
Der Erfolg des zweiten Freilichttheaters trug mit zur Vereinsgründung ein Jahr später bei. Die Theatergruppe erhielt eine Satzung, eine feste Vorstandschaft, den Eintrag ins Vereinsregister und firmierte nun ab April 1995 als Theaterfreunde Balzheim e.V. Bis heute gilt die Regelung, dass aktive Mitglieder keinen Vereinsbeitrag zahlen. Nach Weihnachtstheater und Kindertheater kam im selben Jahr das dritte Standbein des neuen Vereins hinzu: das Sommertheater im Pavillon des Schlossweihergartens. Ursprünglich sollte dieser Park im Zentrum Oberbalzheims eine feste Freilichttribüne erhalten, doch das Landesdenkmalamt schob dem einen Riegel vor und genehmigte lediglich den Bau des Pavillons im Westen des Schlossweihergartens. Der ungetrübte Blick auf das Unterschloss sollte erhalten bleiben.
Die Theaterfreunde machten aus der Not eine Tugend und schufen im Pavillon ein neues Format mit Sketchen und Satiren Marke Eigenbau, realisiert auf ganz einfache Weise mit provisorischer Bühne und Bierbänken für die Zuschauer, ohne Eintritt, lediglich auf Spendenbasis, was bis heute so geblieben ist. Eigens dafür wurde die Sketchfabrik gegründet, deren Dingsverein bis heute ein Dauerbrenner des Balzheimer Sommertheaters ist. Der Bau des mobilen Bühnenwagens 2009 bedeutete eine enorme Verbesserung des Sommertheaters, weil nun alle Zuschauer überdacht im Pavillon sitzen konnten. Dazu kam die Verlängerung der Dachkonstruktion, so dass noch mehr Zuschauer im Trockenen Platz fanden. So bekam das Balzheimer Sommertheater immer mehr Zulauf, vor allem von auswärts: Das Format mit mehreren Stücken bzw. Nummern, das Ambiente, die zwanglose Atmosphäre, die Spielzeit Mitte/Ende August erwies sich als Zuschauermagnet für die ganz Region. Kamen in den Anfangsjahren noch ein paar hundert Besucher zu den drei bis vier Vorstellungen, so sind es mittlerweile bei sieben Aufführungen an die 2000, die bei gutem Wetter kaum mehr alle Platz finden.
Das dritte Freilichttheater im Jahre 2002 organisierten die Theaterfreunde Balzheim bereits in Eigenregie: Gespielt wurden vor der großen Tribüne vor dem Unterschloss „Die Kindsmörderin Maria Bayer“ und das Jugendmusical „Die Ulmer Stadtmusikanten“. Insgesamt 4000 Zuschauer besuchten die elf Vorführungen vor historischer Kulisse.
2005 führten die Theaterfreunde Balzheim erstmals ein Stationenspiel auf. Anlass dazu war das Jubiläum „500 Jahre Oberschloss“.
Ein weiteres Jubiläum, das der 1608 erbauten Oberbalzheimer Dreifaltigkeitskirche, war Anstoß zum vorerst letzten großen Balzheimer Freilichttheater. Das dreiteilige Stück „Lutheraner und Papisten“ führte den zahlreichen Besuchern die besondere Religionsgeschichte Balzheims vor Augen. Die Verbindung mit dem aufwändigen Jugendmusical „Simba“ war rein von der Kulisse nicht einfach: Für das im Dschungel spielende Musical mussten jedes Mal die historischen Bühnenbauten mit einem riesigen bemalten Tuch abgedeckt werden. Beide Produktionen waren sehr erfolgreich. Der große Aufwand und die totale Abhängigkeit vom Wetter (bei nicht überdachter Zuschauertribüne) waren die Gründe, weshalb die Theaterfreunde seitdem kein Freilichttheater in diesem Stil aufgezogen haben.
Der Umbau der Unterbalzheimer Turn- und Festhalle zum Dorfgemeinschaftshaus 2008/09 war für die Theaterfreunde Balzheim nicht nur ein Quantensprung in Sachen Bühnentechnik, sondern dort konnten sie nun zentral alle Kostüme, Requisiten und Bühnenelemente usw. unterbringen. Mit viel Eigenleistung und auch finanziellem Engagement schufen sich die Theaterfreunde im hinteren Bereich des Dorfgemeinschaftshauses ihre Domizil. Alles, was zum Sommertheater im Oberbalzheimer Schlossweihergarten für Bühne und Bewirtung notwendig war und ist, beherbergt der von der Stiftung Oberbalzheim kostenlos zur Verfügung gestellte Lagerraum im Hofgut. Damit war klar: Künftig würde das Balzheimer In-Door-Theater im Dorfgemeinschaftshaus Unterbalzheim stattfinden, das Out-Door-Theater dagegen im Oberbalzheimer Schlossweihergarten. Diese Aufteilung hat sich mittlerweile bewährt.
Nach dem abgeschlossenen Umbau des Dorfgemeinschaftshauses gingen die Theaterfreunde daran, auch anspruchsvollere und umfangreiche Produktionen in der Halle aufzuführen, zum Beispiel die Historienspiele „Die neue Welt“ (2013) über die Balzheimer Auswanderer nach Nordamerika im 19. Jahrhundert und „Entscheidung am Damm“ (2017/18) (mit eigenem Theaterchor) über das Illerhochwasser und den Bau des Schutzdamms zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Bau der Drehbühne – neben dem Bühnenwagen das zweite Alleinstellungsmerkmal des Balzheimer Theaters in der Region – spielte dabei eine wichtige dramaturgische und praktische Rolle: Alle Bühnenbilder konnten vorbereitet werden, der Umbau ging in Sekundenschnelle.
Waren die Historienspiele, die die abwechslungsreiche Balzheimer Geschichte auf der Bühne erlebbar machten, immer schon ein Markenzeichen der Theaterfreunde gewesen, so begann ab 2014 eine neue Ära: Das Balzheimer Musiktheater machte sich in der ganzen Region einen Namen. Mit den beiden Freilicht-Jugendmusicals „Die Ulmer Stadtmusikanten“ (2002) und „Simba“ (2008) war der Anfang gemacht, einige Darsteller und Sänger wirkten später bei den vier Musicals 2014 bis 2020 mit. Es begann mit der witzigen Schneewittchen-Adaption „Verzwergt und zugespiegelt“ im Sommer 2014 im Schlossweihergarten mit eigener Live-Band und Chor.
Mit den Musicals „Swinging Sixties“ (2015/16) und „Transatlantic Symphonie“ (2016/17) gelangen den Theaterfreunden Balzheim ein Riesenerfolg und damit neue Zuschauerrekorde im Hallentheater. Die Mischung aus witziger Handlung auf dem Kreuzfahrtschiff Costa Cordalis und schwungvoll vorgetragenen Schlagerevergreens traf genau den Geschmack des Publikums. Viele Zuschauer staunten über die Sangeskunst der meist jungen Balzheimer Akteure, die durch professionellen Gesangsunterricht eigens dafür geschult wurden. Außerdem machte sich die enorme Aufrüstung in Sachen Technik bezahlt, die „Technigger“ sind mittlerweile ein fest verschworener Haufen im Verein und garantieren akustische und visuelle Qualität.
Nach zwei Jahren Pause waren alle gespannt auf das neue Musical „In Gottes Namen“, die derzeit letzte Bühnenproduktion der Theaterfreunde Balzheim im Winter 2019/20, die glücklicherweise noch vor der Corona-Pandemie zur Aufführung kam und alle Rekorde brach.So lange es die Theatergruppe bzw. Theaterfreunde Balzheim gibt, gingen die Ideen der kreativen Köpfe nicht aus: Kaum ein Theater in der Region brachte in den vergangenen Jahre so viele eigene Stücke auf die Bühne. Aber die Ideen reichen nicht aus, sie müssen in die Praxis umgesetzt werden von Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten im Bereich der Darstellung, Regie, Technik, Maske, Kostüme, Bühnenbau und -malerei und Requisite. Über diese verfügen die Theaterfreunde Balzheim zweifellos.
Doch momentan, ausgerechnet im Jubiläumsjahr, bleibt der Vorhang zu – hoffentlich nicht zu lange.